MPU auch nach strafgerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheitsfahrt stets notwendig

Datum: 04.08.2015

Kurzbeschreibung: Hat das Strafgericht eine Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss entzogen und beantragt der Betroffene die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist, muss die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Unabhängig davon ist eine solche Anordnung auch geboten, wenn bei der Trunkenheitsfahrt die Blutalkoholkonzentration knapp unter 1,6 Promille lag und deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung bestanden, wie etwa das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen. Das hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem den Beteiligten in der vergangenen Woche zugestellten Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Juli 2015 entschieden und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen.

Der Kläger wurde wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,49 Promille Blutalkoholkonzentration rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Strafgericht entzog ihm zugleich die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für deren Neuerteilung an. Im Oktober 2012 beantragte der Kläger beim Landratsamt Ortenaukreis (Beklagter) die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Da die Behörde den Antrag nicht beschied, erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg (VG) Klage. Anschließend forderte die Behörde ihn auf, ein medizinisch-psychologisches Eignungsgutachten beizubringen. Eine solche Anordnung ist nach § 13 Satz 1 Nr. 2 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) zur Vorbereitung der Entscheidung über die (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis u.a. geboten, wenn

 

 "a)  ... Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen,

b)  wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden,

c)  ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde,

d)  die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war ...

e) ..."

 

Der Beklagte stützte seine Anordnung auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV; die Fahrerlaubnis sei aus dem in Buchstabe a) dieser Vorschrift genannten Grund "Alkoholmissbrauch" entzogen worden. Der Kläger legte kein Gutachten vor. Das VG wies seine Klage daraufhin ab. Mit seiner Berufung machte der Kläger u.a. geltend, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV erfasse nur eine vorherige Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörde, nicht aber durch den Strafrichter. Die vom VG im Anschluss an die Rechtsprechung des VGH vertretene weite Auslegung der Vorschrift widerspreche der Gesetzessystematik und werde in anderen Bundesländern, etwa in Bayern, zu Recht nicht geteilt. Der VGH hat seine Rechtsprechung bestätigt und die Berufung zurückgewiesen.

 

Die Fahrerlaubnisbehörde habe den Kläger zu Recht zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Eignungsgutachtens aufgefordert und aufgrund der Nichtbeibringung des Gutachtens auf das Fehlen der Kraftfahreignung des Klägers geschlossen. Auch bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss sei nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV stets ohne Weiteres eine MPU anzuordnen. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätige dies. Der Verordnungsgeber messe der strafgerichtlichen Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt eigenständige Bedeutung zu. Auch eine solche Entscheidung gebe nach Ablauf der Sperrfrist noch Anlass zu Eignungszweifeln. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob bei der Trunkenheitsfahrt der ansonsten geltende Schwellenwert von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) FeV) überschritten worden sei.

 

Unabhängig davon sei hier die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch nach der Auffangvorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) FeV rechtmäßig. Denn beim Kläger hätten deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung vorgelegen, nämlich das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen. Daher habe die Behörde bei einer Gesamtschau auf eine gravierende Alkoholproblematik schließen dürfen.

 

Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Die Anwendung der genannten Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung werfe in der vorliegenden Fallgestaltung Fragen auf, die in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet würden und vom Bundesverwaltungsgericht noch nicht abschließend geklärt seien. Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen (Az.: 10 S 116/15).

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